Regenerative Medizin bei Meniskusriss, Kreuzbandriss und Knorpelschaden
Regenerative Methoden kommen in der Orthopädie und Unfallchirurgie zunehmend zum Einsatz. Dabei handelt es sich vorwiegend um Substanzen, die aus dem körpereigenen Blut, dem Fettgewebe oder dem Knochenmark gewonnen werden.
EXPERTE: Priv.-Doz.
Dr. Patrick Weninger
Facharzt für Orthopädie und Traumatologie sowie Unfallchirurgie, Knie & Sportverletzungen,
Sports Medical Center,
ordination@dr-weninger.at,
www.dr-weninger.at,
www.avancell-joint.com
Das beinhaltet das seit Längerem in Verwendung stehende plättchenreiche Plasma (PRP) und ebenso seit kürzerer Zeit verwendete Produkte wie Knochenmark-Aspirat oder die stromale vaskuläre Fraktion (SVF) mit den darin enthaltenen Stammzellen und Wachstumsfaktoren. Seit kurzer Zeit sind es auch die sogenannten Exosomen, die zunehmend Bedeutung in der regenerativen Gelenkmedizin erlangt haben. Wie diese Methoden einzuordnen sind, wenn es um ihre Wirksamkeit und Indikation geht, erklärt der Spezialist für regenerative Gelenkmedizin PD Dr. Patrick Weninger. Er ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Medical Director von Avancell Medical, einem Unternehmen, dessen Schwerpunkt die Gelenkerhaltung und Regeneration ist.
Was genau ist regenerative Gelenkmedizin und mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Bei der regenerativen Gelenkmedizin steht die Erhaltung des eigenen Gelenkes im Vordergrund der Bemühungen. Das heißt, nicht Gelenkersatz, sondern Gelenkerhaltung ist unser Fokus. Letztlich geht es darum, Beschwerden wie Schmerzen dauerhaft auf ein Minimum zu reduzieren oder ganz auszuschalten, sodass gar kein Gelenkersatz notwendig wird. Wir erreichen das derzeit über autologe Produkte. Das bedeutet, dass beispielsweise Stammzellen oder auch körpereigene Wachstumsfaktoren oder zellfreie Produkte wie Exosomen verwendet werden. Zusätzlich haben wir spezielle Protokolle abhängig von der Verletzung und möglichen Knorpelschäden, wobei wir vorwiegend die Stoßwelle und die Magnettransduktionstherapie und andere apparative Methoden verwenden. Es ist wichtig, spezielle Protokolle zu verwenden, da beim Einsatz sehr viel Know-how gefragt ist.
Wie wirken diese Verfahren?
Jedes der Verfahren hat einen anderen Angriffspunkt auf verschiedenen Ebenen. Eine Gewebeverletzung oder ein Knorpelschaden führt zu einem pro-inflammatorischen Umfeld im Gelenk. Unsere Methoden modifizieren dieses Umfeld, weg von Pro-Inflammation hin zu Anti-Inflammation. Dabei ist es sehr wichtig zu wissen, welcher Gewebeschaden welche Therapie braucht und nicht „one fits all“. Über eine Reduktion der Entzündungskaskade
kommt es dadurch bereits zu einer deutlichen Beschwerdereduktion. Der langfristige Effekt ist dann zellvermittelt, sodass auch eine echte Geweberegeneration zu beobachten ist. Das impliziert, dass neuer Knorpel wieder im MRT nachweisbar wird und Bänderverletzungen oder auch Meniskusrisse heilen. Eine Operation kann somit überflüssig werden.
Wann muss beim Meniskusriss operiert werden und wann kann mit den Methoden der regenerativen Medizin das Auslangen gefunden werden?
Meniskusrisse müssen dann operiert werden, wenn eine Einklemmungssymptomatik besteht, also ein mechanisches Hindernis. In anderen Fällen, speziell bei degenerativen Rissen, also bei bereits vorhandenen Knorpelschäden, die nicht durch einen Unfall bedingt sind, ist es sogar empfohlen, nicht zu operieren, da eine Operation keinen Vorteil bringt gegenüber nicht-operativen Methoden. In solchen Fällen wenden wir in jedem Fall regenerative Methoden als Mittel der ersten Wahl an.
Wie sieht es bei Kreuzbandverletzungen aus?
Auch Bänderverletzungen sind durchaus eine Domäne regenerativer Therapien. Vor allem Verletzungen des vorderen Kreuzbandes sehe ich sehr oft und es gibt Kreuzbandverletzungen, die sehr gut mit Stammzellen und Exosomen bzw. mit PRP behandelbar sind. In erster Linie handelt es sich dabei um Teilrisse und um Verletzungen mit erhaltender Durchblutung des Bandes und mit erhaltenem Schleimhautschlauch. Dafür ist sehr viel Erfahrung nötig, um korrekt einzuschätzen, welche Therapie die geeignete ist. Vor allem körpereigene Stammzellen können ultraschallgezielt eingebracht werden und so direkt eine Heilung der Bandstruktur ermöglichen.
In jedem Fall kann man sagen, dass man sich dabei keine Tür schließt und eine Operation jederzeit immer noch möglich ist, sollten regenerative Methoden nicht zielführend sein. Es gibt eindrucksvolle Vorher/Nachher-MRT-Untersuchungen, die eine vollständige Bandheilung auch nach kompletten Rupturen zeigen. Sollte ein Ersatz des gerissenen Kreuzbandes durch eine körpereigene Sehne erforderlich sein, verwende ich routinemäßig zusätzlich Stammzellen aus dem Knochenmark. Dadurch wird die Heilung zusätzlich angestoßen und der Vorgang der sogenannten Ligamentization beschleunigt.
Machen regenerative Therapien auch bei schwerer Arthrose Sinn?
Absolut. Die meisten unserer Patienten, die Arthrose haben, haben Grad-IV-Arthrose, also die sehr schwere Form. Diese Patienten profitieren von den regenerativen Methoden, da die angesprochene Entzündungskaskade massiv und nachhaltig reduziert wird. Somit kommt es zu einer deutlichen Minderung von Schmerzen, Schwellung und Bewegungseinschränkung. Bei vielen Patienten reicht bereits eine einmalige Behandlung, um diesen Effekt zu erreichen. In manchen Fällen muss man einmal pro Jahr behandeln oder mit anderen Verfahren wie Stoßwelle kombinieren. Wir haben vor Kurzem den Pathway herausgefunden, über welchen die Stammzellen und Exosomen auch bei schwerer Arthrose wirken. Die Ergebnisse sind sehr beeindruckend und betreffen Patienten, die einen sehr starken Leidensdruck hatten. Vielfach wurde diesen die Knieprothese als einzige Option genannt. Ein künstliches Gelenk ist für mich der letzte Ausweg, wenn andere, weniger invasive Verfahren ausgeschöpft sind und weiterhin ein sehr hoher Leidensdruck besteht. Regenerative Methoden sind solche wenig invasive Verfahren mit sehr hohem Wirkungsgrad und sehr hoher Zufriedenheit der Patienten bei vergleichsweise minimalem Risiko.
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FOTOS: ALBERT HANDLER/BRANDUNIT, ISTOCKPHOTO/DIMID_86