Altersepilepsie: Herausforderungen in der Hausarztmedizin

Epilepsien treten nach Schlaganfällen und bei Demenzen häufig als neurologische Erkrankung bei älteren Menschen auf. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist in den kommenden Jahren mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. Durch die meist jahrelange Begleitung der Patienten ist die Diagnose einer Altersepilepsie für die Hausarztmedizin zwar eine Herausforderung, welche aber gut zu bewältigen ist.



AUTOR: Dr. Erwin Rebhandl

Arzt für Allgemeinmedizin (Geriatrie), Univ.-Lektor für AM an der med. Fakultät der JKU Linz, Präsident von AM plus- Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit,

erwin.rebhandl@hausarztmedizinplus.at

www.hausarztmedizinplus.at


Zerebrovaskuläre Erkrankungen wie ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall und Demenzen stellen die häufigsten Ursachen der Altersepilepsie dar. In der haus­ärztlichen Tätigkeit sind wir oft mit Patienten konfrontiert, die nach einem Schlaganfall einen epileptischen Anfall erlitten haben. Bis zu einem Viertel aller Patienten sind davon betroffen. Das Risiko, daraus eine manifeste Epilepsie zu entwickeln, beträgt 4 % nach einem Jahr und steigt nach fünf Jahren auf 8 % an. Unsere oft über Jahrezehnte hinweg geführten individuellen Aufzeichnungen helfen uns dabei, die individuelle Situation besser zu bewerten und die richtige weiterführende Therapie zu starten, um weitere Anfälle zu verhindern.

Zweischneidiges Schwert: Kontrolle nötig

Eine Epilepsie kann prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten. Die Beziehung zwischen Epilepsie und zerebrovaskulären Erkrankungen ist nicht unidirektional und stellt somit ein zweischneidiges Schwert dar: Patienten mit spät beginnender Epilepsie sind einem höheren Schlaganfallrisiko ausgesetzt. Dies kann durch die gemeinsamen negativen Begleitfaktoren erklärt werden. Das Ergebnis einer populationsbasierten Kohortenstudie in Finnland, die 245 Patienten mit Anfallsbeginn in der Kindheit und unkompliziertem Verlauf für 45 Jahre einbezog, war eindeutig: Unabhängig von vaskulären Risikofaktoren waren MR-tomografische vaskuläre Läsionen in der Gruppe der Epilepsiepatienten signifikant häufiger. Eine engmaschige Kontrolle und Behandlung vaskulärer Risikofaktoren ist somit insbesondere bei älteren Epilepsiepatienten von großer Bedeutung. Hier ist die Hausarztmedizin gefordert, Patienten mit entsprechendem Krankheitsbild – insbesondere auch im Rahmen der jährlichen Vorsorgeuntersuchungen – speziell im Blickfeld zu haben.

Risikofaktor Demenz: hausärzt-liche Basisdiagnostik essenziell

Auch bei Verdacht auf eine beginnende Demenzerkrankung ist der Hausarzt erste Anlaufstelle, da diese etwa 10–20 % der neu beginnenden Epilepsien zugrunde liegt. Wenn den Bezugspersonen eine zunehmende Störung des Kurzzeitgedächtnisses mit Vergesslichkeit auffällt, ist die hausärztliche Basisdiagnostik mit einer gründlichen Anamneseerhebung das Gebot der Stunde. Durch Erstuntersuchungen wird geklärt, ob die aufgetretene Vergesslichkeit noch altersgemäß oder schon Ausdruck einer Erkrankung ist. Gegebenenfalls erfolgt eine Überweisung zum Neurologen und/oder die Empfehlung zum Aufsuchen einer regionalen Demenz-Servicestelle.

Eine Fall-Kontroll-Studie in Großbritannien fand bei Patienten mit Alzheimer-Demenz eine Inzidenzrate epileptischer Anfälle von 5,6/1000 Personenjahren und bei vaskulärer Demenz von 7,5/1000 Personenjahren. Im Vergleich hierzu lag die Inzidenzrate epileptischer Anfälle in der gleichaltrigen Kontrollgruppe ohne Demenz bei 0,8/1000 Personenjahren. Die Prävalenz epileptischer Anfälle bei Patienten mit Demenz vom Typ Alzheimer beträgt etwa 5 %. Das Risiko, daraus eine Epilepsie zu entwickeln, ist um das bis zu 10-Fache erhöht.

Bidirektionale Beziehung

Über den Schlaganfall hinaus ist die Beziehung zwischen Epilepsie und Demenz bidirektional: Ältere Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie zeigen bei Untersuchungen bereits vor Therapiebeginn häufiger kognitive Defizite auf als gleichaltrige Kontrollpersonen. Das Risiko, innerhalb von acht Jahren eine Demenz zu entwickeln, ist um das 1,5-Fache erhöht. Insbesondere bei Patienten mit Temporallappenepilepsie (TLE) sind Gedächtnisprobleme ein häufig berichtetes Symptom, wobei bildgebende und neurophysiologische Studien gemeinsame Charakteristika von milder kognitiver Beeinträchtigung („mild cognitive impairment“, MCI) und Temporallappenepilepsie aufzeigen konnten. Auch hier sind gemeinsame vaskuläre Risikofaktoren für die Verbindung von Epilepsie und Demenz verantwortlich. Es ist Gegenstand intensiver Forschungen, inwieweit diese zugrunde liegende Pathomechanismen die Entwicklung beider Erkrankungen bedingen und welchen Einfluss Faktoren wie Anfallsfrequenz, Frequenz interiktaler epileptiformer Potenziale und Antiepileptikatherapie auf die Entwicklung kognitiver Defizite bei Epilepsiepatienten haben.

Psychosoziale Herausforderung

Die zunehmende Einsamkeit und soziale Isolation erschweren die ärztliche Diagonose einer Altersepilepsie ebenfalls. Anders als früher leben ältere Personen häufiger alleine und können aufgrund eingeschränkter Mobilität nur mehr selten an gesellschaftlichen Ereignissen teilnehmen. Die Diagnose Epilepsie stellt betagte Menschen vor eine Vielzahl psychosozialer Herausforderungen. Ein drohender Verlust von Selbstständigkeit und Mobilität, etwa durch Fahruntauglichkeit oder Angst vor Stürzen im Rahmen von Anfällen, steht im Raum. Insbesondere das Risiko anfallsassoziierter Verletzungen durch Stürze ist hoch, wobei Frakturen zu Krankenhausaufenthalten, weiterer Immobilisierung, zusätzlicher Isolation und Langzeitmorbidität führen können. Hier wird unser Gesundheitssystem in Zukunft gefordert sein.

QUELLEN:
www.springermedizin.de/demenz/zerebraleischaemie/altersepilepsie/19099648#:~:text=Patienten%20mit%20Demenz,%20insbesondere%20DAT,und%20Demenz%20bei%20Epilepsiepatienten%20erhöht

www.springermedizin.at/neurologie/demenz/die-wichtige-rolle-des-hausarztes-bei-demenz/23382144


FotoS: zvg, Presse GBH, istockphoto/ PixelsEffect
Zurück
Zurück

Hilft pflanzliche Ernährung bei Diabetes?

Weiter
Weiter

Sportbezogene Verletzungen und Schmerztherapie