Better together: Allgemeinmedizin und Physiotherapie in der PVE

 

In einer zunehmend komplexen medizinischen Landschaft wird die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen immer wichtiger.



AUTORIN: Maria Hochgerner BSc

Physiotherapeutin PVE Böheimkirchen, Koordinatorin Fachliches Netzwerk Primärver- sorgung Physio Austria,

physiotherapie@primaerversorgung.org


Besonders in Primärversorgungseinheiten (PVE), wo die Behandlung oft interprofessionell erfolgt, kann die effektive Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Physiotherapeuten den Unterschied zwischen guter und exzellenter Patientenversorgung ausmachen. Doch wie kann diese Zusammenarbeit optimal gestaltet werden, um sowohl den Patienten als auch den Teammitgliedern den größtmöglichen Nutzen zu bieten?

Teamwork makes the dream work

Die Struktur der PVE unterstützt die Abstimmung innerhalb der gemein- samen Behandlungsstrategie. Oft stimmen Symptome beim ärztlichen Ersttermin und dem darauffolgenden Physiotherapietermin einige Tage später überein – aber manchmal eben nicht. Und wenn die Klinik tat- sächlich von der ärztlichen Diagnose abweicht, genügt ein Anruf, um der Sache nachzugehen. Der reicht auch in der freien Praxis, allerdings erleichtert ein gemeinsamer Kalender, in den alle Berufsgruppen einsehen können, wer wo und wann erreichbar ist, die Rücksprache enorm. Um ein Beispiel zu nennen: Eine Patientin kommt mit subakuten Schmerzen und Schwellung im lateralen Hüftbereich zum Arzt und wird mit Verdacht auf eine muskuloskelettale Ursache zur Physiotherapie zugewiesen. Dort berichtet die Patientin über eine, zwischen Arzt- und Physiotherapietermin neu aufgetretene, spontane Schwellung des Ellbogens. Im Gespräch erwähnt sie einen eventuell übergangenen Infekt. Die Informationen werden sofort an die ärztliche Kollegin rückgemeldet. Es werden Schonung mit Arbeitsunfähigkeit als Konsequenz und eine Abklärung angeordnet, die Physiotherapie wird pausiert.

Als Einheit auftreten

Auch wenn die gemeinsame Entscheidungsfindung ein wichtiger Faktor in der Patientenbetreuung ist, kann die Erwartungshaltung nicht immer erfüllt werden, wenn die von Patienten gewünschte Behandlungsmethode beispielsweise keinen nachweisbaren Nutzen hat oder die Gesundheit sogar gefährden könnte. Es kann vorkommen, dass Patienten sich mit der Unzufriedenheit über die Behandlung an eine dritte Person im Team wenden. In einer solchen Situation verständnisvoll zu reagieren, wenn möglich Lösungsvorschläge anzubieten und keinesfalls die Diskreditierung von Teammitgliedern zu akzeptieren, stärkt nicht nur das Team, sondern auch die Verlässlichkeit gegenüber Patienten. Eine wertschätzende, loyale Grundhaltung mit gemeinsamer Vision sollte nicht nur innerhalb des Teams, sondern genauso von außen erkennbar gelebt werden.

Einander kennen und voneinander lernen

In der Versorgung von Patienten nach den Säulen der evidenzbasierten Medizin stellt auch die PVE keine Ausnahme dar. Die Bedürfnisse und Werte auf Patientenseite und die bestverfügbare externe Evidenz sind für Berufseinsteiger leichter zu berücksichtigen als die Komponente der klinischen Erfahrung, da sie diese noch nicht vorweisen können. Innerhalb der PVE können Kommunikation auf Augenhöhe und die räumliche Nähe zu den unterschiedlichen Berufsgruppen Rückfragen zu komplexen Fällen und somit die professionelle Weiterentwicklung positiv beeinflussen. Entscheidend ist auch, dass die Teammitglieder die unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkte ihrer Kollegen genau kennen. Das trägt nicht nur zur Erweiterung des Horizonts bei, sondern steigert auch die Effizienz der Patientenversorgung durch präzisere Identifikation von Überweisungsindikationen. In der Praxis haben sich „Indikationslisten“ für Therapiemöglichkeiten bei Beschwerdebildern und die informelle Vorstellung neu erworbener Kompetenzen als nützlich erwiesen.

Trotz der genannten Punkte ist nicht nur Fachwissen für eine gute Zusammenarbeit ausschlaggebend. Bei aller Expertise kann Teamwork nur in einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre gelingen. Es gilt, ein Teamgefühl zu entwickeln, das von der Offenheit und Wertschätzung aller Mitglieder lebt. Diese Teambeziehungen sollten gepflegt werden, etwa durch gemeinsame Ausflüge oder das Feiern von Festen. Auch im Arbeitsalltag kann beim gemeinsamen Mittagessen das kollegiale Miteinander gefestigt werden.

Kommunikation

Die bisher genannten Grundlagen für eine gute Kooperation zwischen Physiotherapie und Allgemeinmedizin im Setting der PVE implizieren die Kommunikation miteinander. Tür-Angel-Gespräche sind bestens geeignet für informelle Absprachen. Wenn Ärzte sich mit Ganztags- oder Halbtagsdiensten abwechseln, kann es sein, dass die gewünschte Ansprechperson nicht sofort verfügbar ist. Drängt die Zeit in einem Fall, kann das Anliegen problemlos durch den anwesenden Arzt übernommen werden. Wenn das Problem nicht unmittelbar einer Lösung bedarf, kann es über die gemeinsame Dokumentation in der Patientenkartei weitergetragen werden. Diese Methode stellt eine enorme Erleichterung der Informationserhebung beim physiotherapeutischen Erstkontakt dar.

  • Die Dauermedikation scheint in der Kartei auf. Für Patienten mit vielen unterschiedlichen Medikamenten oder einer Umstellung ist es hilfreich, sicher zu wissen, was verordnet wurde.

  • Externe fachärztliche Befundberichte sind zum Teil über die Kartei abrufbar.

  • Bei akuten Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in die Peripherie kann der Eintrag vom Termin beim Allgemeinmediziner mit dem Ist- Zustand beim physiotherapeutischen Ersttermin verglichen werden – was die Überprüfung der Entwicklung erleichtert, da meist einige Tage zwischen den beiden Terminen liegen.

  • Die physiotherapeutische Dokumentation ist für die Ärzte der PVE vice versa einsehbar. Nach Abschluss der Physiotherapie werden sie informiert und können den Bericht nachlesen. Im Best Case ist die Versorgung in der PVE abgeschlossen, weil die Beschwerden abgeklungen sind und ein Plan zur weiterführenden Prävention erarbeitet werden konnte. Wenn das weitere Procedere eine ärztliche Kontrolle erfordert, werden die Patienten wieder zu einem Arzt bestellt.

    In unterschiedlichen Intervallen, zum Beispiel einmal pro Quartal, kommen Mitarbeiter aus allen Berufsgruppen zusammen, um besonders komplexe Fälle zu besprechen.

    Durch eine strukturierte und transparente Kommunikation, einen kollaborativen Ansatz über Berufsgrenzen hinweg und die Förderung eines starken Teamgeists können Ärzte und Physiotherapeuten nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch die Zufriedenheit ihrer Patienten steigern. Letztlich profitieren alle Beteiligten von einer engen Kooperation – die Patienten durch eine umfassende Betreuung und die Teammitglieder durch ein harmonisches Arbeitsumfeld.

Der Artikel bezieht sich zum Teil auf die Empfehlung zur interpro- fessionellen Zusammenarbeit (IPZ) der Gesundheit Österreich GmbH. Das Dokument steht im exklusiven Mitgliederbereich der Plattform Pri- märversorgung zum Download zur Verfügung. Die Mitgliedschaft bei der Plattform ist kostenlos.

Weiterführende Literatur: www.cochrane.de/ueber-uns/evidenzbasierte-medizin


fotoS: zvg, istockphoto/ AndreyPopov
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