„Chefköche der Pharmazie“

Die Nanotechnologie ist ein wichtiges neues Werkzeug, um Wirkstoffe gezielt zu den Problemstellen im Körper zu bringen. mRNA-Impfstoffe und Krebstherapeutika sind prominente Einsatzgebiete dafür.

Welche Rolle die Nanotechnologie bereits spielt und welche weiteren Werkzeuge, wie der 3D-Druck, zukünftig genutzt werden können, um noch wirkungsvollere Medikamente zu schaffen, wurde kürzlich im Rahmen des Weltkongresses der pharmazeutischen Technologen (BPB) in Wien diskutiert.

„Pharmazeutische Technologen sind in der Medikamentenentwicklung die Chefköche der Pharmazie. Wir bekommen den Wirkstoff und machen daraus für die Patienten das fertige Medikament. Rezepturen werden verbessert, damit der Wirkstoff bei den Patienten zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der richtigen Dosis landet und dort seine Wirkung entfalten kann“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Lea Ann Dailey, Local Chair des World Meeting on Pharmaceutics, Biopharmaceutics and Pharmaceutical Technology (BPB) sowie Stellvertretende Leiterin des Departments für Pharmazeutische Wissenschaften an der Universität Wien.

Drug Delivery und Drug Targeting

Spätestens seit der Corona-Pandemie kennen wir sie alle – die mRNA-Impfstoffe. Bei ihnen kommt im Gegensatz zu den klassischen Impfstoffen ein völlig neuer pharmazeutisch technologischer Ansatz zum Tragen – die Nanotechnologie. Nur dank der Nanotechnologie ist es möglich, mRNA direkt als Wirkstoff zum Spike-Protein des Virus zu transportieren.

Die Verpackung in Nanostrukturen schützt die empfindlichen Moleküle und transportiert sie zum Wirkungsort. „Wir bauen mithilfe der Nanotechnologie ein ‚Auto‘, in dem nun der Wirkstoff transportiert wird. Zudem versehen wir dieses ‚Auto‘ mit einem eigenen GPS-System, damit das Medikament im Körper auch dort ankommt, wo es wirken soll“, erklärt Dailey die Grundprinzipien von Drug Delivery und Drug Targeting anhand eines Bildes.

Tuberkulose und Krebs

Mithilfe der Nanotechnologie werden so auch verstärkt viele weitere Infektionskrankheiten bekämpft, allen voran die Tuberkulose, die weltweit die zweittödlichste Infektionskrankheit ist, an der jährlich 1,3 Millionen Menschen sterben. Prinzipiell ist Tuberkulose in den Industrieländern mit 80 % Heilungschance gut behandelbar. Multiresistente Tuberkulose und Tuberkulose bei bestimmten Patientengruppen, bei denen die Therapie abgebrochen werden muss, bleiben jedoch ein Problem, an dem pharmazeutische Technologen in Wien durch die Entwicklung von inhalierbaren Antiinfektiva arbeiten.

Dabei kommt auch die Nanotechnologie, beispielsweise durch die Entwicklung neuer Verabreichungsformen, zum Einsatz. Nanomedizin hält auch längst schon Einzug in der Krebsmedizin, vor allem in der Bekämpfung von Haut-, Lungen- und Blutkrebs. Mithilfe neuer technologischer Ansätze, wie zum Beispiel Zelltherapien, wird das eigene Immunsystem des Patienten zur Bekämpfung der geschädigten Zellen eingesetzt.

Die Zelltherapie nimmt gesunde Zellen aus dem eigenen Körper und pflanzt sie zu einem späteren Zeitpunkt in den Körper hinein, um eine Funktion wiederherzustellen, geschädigte Gewebe oder Organe zu ersetzen, zu reparieren oder ihre biologische Funktion zu verbessern. Auch hier braucht es die pharmazeutischen Technologen, um die entsprechenden Hightech-Medikamente herzustellen.

Tabletten aus dem 3D-Drucker

Im Jahr 2015 gelang die Herstellung des ersten Epilepsie-Medikamentes mit einem 3D-Drucker. „Der große Vorteil der gedruckten Tablette ist, dass sie mit einer poröseren Oberfläche versehen werden kann als die klassisch gepresste Tablette. Dadurch löst sie sich schneller auf und kommt auch ohne Flüssigkeitszufuhr gut aus. Darüber hinaus kann sie mit mehreren Wirkstoffen versehen werden.

Das hilft zum Beispiel Patienten, die Schluckbeschwerden haben und viele verschiedene Tabletten einnehmen müssen“, erklärt die Pharmazeutin. Auch wenn das innovative Herstellungsverfahren noch in den Kinderschuhen steckt, so werden durch den 3D-Druck auch weitere Vorteile erwartet. Die Medikamente sollen zukünftig flexibler in Größe, Form und Wirkstofffreisetzungsprofil bzw. -kombination hergestellt werden können.

Da auf einem 3D-Drucker mehrere Medikamente gedruckt werden können, sollen die Kosten für die Arzneimittelproduktion sinken. Zudem erhofft man sich in der Arzneimittelproduktion eine größere Unabhängigkeit. „Eine Vision ist auch, dass Apotheken zukünftig individuelle Arzneimittel für Patienten vor Ort selbst drucken könnten und dabei wichtige Faktoren wie Alter, Geschlecht, Genetik oder spezielle Krankheitsprofile berücksichtigen“, so Dailey über das Potenzial der neuen Technologie.

bw


Univ.-Prof. Dr. Lea Ann Dailey, Local Chair des World Meeting on Pharmaceutics, Biopharmaceutics and Pharmaceutical Technology (BPB) und stellvertretende Leiterin des Departments für Pharmazeutische Wissenschaften an der Universität Wien



OTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/DR. MICROBE

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