Möglicher Auslöser von Morbus Crohn entdeckt
Univ.-Prof. Dr. Dirk Haller
Technische Universität München,
Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie, TUM
Störungen in Mitochondrien haben einen fundamentalen Einfluss auf Morbus Crohn. Das haben jetzt erstmals Forschende der Technischen Universität München (TUM) bei Mäusen nachgewiesen. Sie konnten zeigen, dass defekte Mitochondrien Symptome chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen auslösen und das Mikrobiom beeinflussen.
Chronischer Durchfall, Bauchschmerzen und Fieber sind typische Symptome von Morbus Crohn. Die Ursache dieser Krankheit ist bis heute nicht vollständig geklärt, jedoch ist seit einigen Jahren bekannt, dass sich das Darm-Mikrobiom, also die Zusammensetzung der Mikroben im Verdauungstrakt, bei Entzündungserkrankungen verändert. Einige Forschende sehen in dieser Veränderung, deren Ursachen bislang unbekannt waren, den Auslöser der Krankheit. Ein Team um Univ.-Prof. Dr. Dirk Haller, Professor für Ernährung und Immunologie und Direktor des Zentralinstituts für Ernährungs- und Lebensmittelforschung (ZIEL) der TUM, hat sich auf die Suche nach dem Grund für die Veränderungen des Mikrobioms gemacht und das Zusammenspiel von Mikrobiom, Darmepithel und Mitochondrien untersucht. Das Darmepithel ist die Zellschicht, die das Innere des Darms auskleidet, Nährstoffe aufnimmt und Krankheitserreger abwehrt. Mitochondrien sind kleine Strukturen in Zellen, die Nährstoffe in Energie umwandeln und damit den Stoffwechsel und die Funktionsfähigkeit von Zellen beeinflussen.
Defekte Mitochondrien als möglicher Auslöser für Morbus Crohn entdeckt
Mitochondrienstörung verändert Mikrobiom
Haller und sein Team verfolgen seit einigen Jahren die Hypothese, dass Mitochondrien nicht ausschließlich als „Kraftwerke“ der Zellen dienen, sondern auch mit dem Mikrobiom interagieren. Zudem hatte vorangegangene Forschung gezeigt, dass das Darmepithel von Patientinnen und Patienten mit chronischen Darmentzündungen gewisse Stressmarker aufweist, die darauf hindeuten, dass die Mitochondrien nicht ordnungsgemäß arbeiten.
Für ihre Studie griffen die Forscher in die Mitochondrien von Mäusen ein und entfernten einen Genabschnitt, der für die Produktion des Proteins Hsp60 verantwortlich ist. Dieses Protein ist unerlässlich dafür, dass die Mitochondrien ihre Aufgaben erfüllen können. Der Eingriff stieß verschiedene Prozesse im Darm an. Zum einen ließen sich Gewebeschädigungen im Darmepithel nachweisen, die jenen bei Morbus-Crohn-Patienten ähneln. Zudem zeigten sich Genaktivierungen, die für manche Stadien der Krankheit typisch sind. Außerdem reagierte das Mikrobiom auf die gestörten Mitochondrien, indem es seine Zusammensetzung änderte. Damit konnte erstmals nachgewiesen werden, dass Störungen in den Mitochondrien ursächlich an Gewebeschäden im Darm beteiligt sind und darüber hinaus erkrankungsrelevante Änderungen im Mikrobiom auslösen. Für Betroffene könnte diese Erkenntnis wichtig werden, denn sie bietet Ansätze für neue Therapien. Aktuell lindert man mit entzündungshemmenden Medikamenten vor allem die Symptome von Morbus Crohn. Die Hoffnung ist, nun Wirkstoffe zu finden, die die Funktionalität gestörter Mitochondrien wiederherstellen und so die Darmschädigung als Auslöser für chronische Entzündungsprozesse begrenzt.
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PUBLIKATION: Urbauer, E., Aguanno, D., Mindermann, N. et al.: Mitochondrial perturbation in the intestine causes microbiota-dependent injury and gene signatures discriminative of inflammatory disease. Cell Host & Microbe (2024), Volume 32, Issue 8. DOI: 10.1016/j.chom.2024.06.013
fotoS: Juli Eberle/TUM, Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie/TUM, istockphoto/ ttsz