PVE: Heilmittel des Gesundheitswesens?

 

Mit der Schaffung des Primärversorgungsgesetzes (PrimVG) im Jahr 2017 hat der Gesetz-geber einen neuen Leistungsanbieter im bisher schon komplexen Gesundheitswesen etabliert: die Primärversorgungseinheit (PVE). Sie soll vor allem Versorgungslücken im extramuralen Bereich schließen.


AUTOR: Dr. Andreas Joklik, LL.M 

Joklik Katary Richter Rechtsanwälte,
office@jkr.at, www.jkr.at

Mitglied der Faculty des LL.M.-Studiums „Medizinrecht“ an der Uni Krems.
www.donau-uni.ac.at/de/studium/
medizinrecht.html


Das PrimVG definiert zwei Arten von PVE: das Primärversorgungszentrum und das Primärversorgungsnetzwerk. Beide sollen das Bedürfnis nach längeren Öffnungszeiten und einem erweiterten Leistungsspektrum am Standort abdecken. Bei einem Primärversorgungszentrum schließen sich zwei oder mehr Ärzte gesellschaftsrechtlich zusammen und bilden gemeinsam mit der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Ordinationsassistenz als „Kernteam“ eine erste Anlaufstelle für Patienten. Aufgrund der derzeit bestehenden Einschränkung auf Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendheilkunde reduzieren sich daher die Einsatzmöglichkeiten der PVE – noch – auf diese beiden Fächer. Zusätzlich zum Kernteam kann das „erweiterte Team“ aus anderen Gesundheitsberufen, wie etwa Physiotherapie, Hebammen oder Diätologie, bestehen. Die genaue Ausgestaltung ergibt sich aus dem Versorgungskonzept, das insbesondere mit der ÖGK abzustimmen ist.

Vorteile im Netzwerk

Um insbesondere im ländlichen Raum eine Konzentration der ärztlichen Versorgung in einem Ort zu vermeiden, bietet das PrimVG als zweite Alternative die Möglichkeit einer PVE in Form eines Netzwerks. Dabei bleiben die im Netzwerk tätigen Ärzte im Rahmen von Einzelunternehmen an ihren jeweiligen Standorten tätig, die geforderten längeren Öffnungszeiten und das erweiterte Versorgungsangebot müssen abgestimmt mit den Netzwerkpartnern angeboten werden. Aus kassenvertragsrechtlicher Sicht erhält sowohl das PVE-Zentrum als auch das PVE-Netzwerk einen Kassenvertrag (insbesondere mit der ÖGK), der auf Ebene des Rechtsträgers als Primärversorgungsvertrag bezeichnet wird. Vorteile der PVE als Zentrum sind etwa die Schaffung von Synergien bei Investitionen und die Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfeldes durch die Aufteilung der Arbeitszeiten. Im Netzwerk können die PVE-Vorteile genutzt werden, dennoch bleibt der Arzt ein Einzelunternehmen. 

Mögliche Rechtsträger

Die in der Praxis häufigste Form sind PVE-Zentren, deren Rechtsträgerin eine Gruppenpraxisgesellschaft ist. Aufgrund der Vorgaben des Ärztegesetzes für Gruppenpraxen kommen daher die Offene Gesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Rechtsträger in Betracht. Gesellschafter einer Gruppenpraxisgesellschaft (OG oder GmbH) können grundsätzlich nur Ärzte für Allgemeinmedizin oder Kinderärzte sein. Mit der letzten Novelle wurde allerdings die Möglichkeit geschaffen, dass auch andere Gesundheitsberufe mit bis zu 49 % an einer Gruppenpraxis GmbH, die ein Primärversorgungszentrum betreibt, beteiligt sein können (multiprofessionelle Primärversorgungseinheit). Details für eine praktische Umsetzung sind aber noch offen.

PVE könnten auch in Form von selbstständigen Ambulatorien geführt werden. Gesellschafter des Rechtsträgers eines Ambulatoriums kann jede natürliche oder juristische Person sein. Das PrimVG schränkt allerdings die möglichen Gesellschafter einer PVE-Gesellschaft als Ambulatorium auf gemeinnützige Anbieter im Gesundheits- und Sozialbereich ein.

Rechtsträgerin eines Primärversorgungsnetzwerks kann jede rechtsfähige Körperschaft sein, im Gesetz wird zum Beispiel ein Verein genannt. Dies ergibt sich daraus, dass der Rechtsträger eines Primärversorgungsnetzwerks selbst keine ärztlichen Leistungen anbietet, da die einzelnen Standorte rechtlich selbstständig bleiben. In der Praxis haben sich nach anfänglich zögerlichem Start bereits eine hohe zweistellige Zahl an PVE konstituiert. Wesentlicher Faktor hinter dieser Beschleunigung waren großzügige Förderungen, insbesondere aus Fördermitteln der EU. Es bleibt abzuwarten, ob diese Förderungen, deren Antragsmöglichkeit für Neugründungen Mitte 2025 ausläuft, in derselben oder in ähnlicher Form verlängert werden, da dies Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Gründung von PVE haben kann.


FotoS: martina siebenhandl, istockphoto/ 3xy
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