Reha 2.0: Erfahrungen aus der orthopädischen Rehabilitation

Seit einem Jahr liegt der Arbeit des medizinischen und therapeutischen Teams in Bad Vigaun ein neues medizinisches Leistungsprofil für stationäre Rehaaufenhalte zugrunde. Im Fokus dieses „MLP 2.0“ stehen die Teilhabe am Beruf und die Eigenständigkeit im Alltag. 

 

„Die individuellen Lebens-umstände der Patienten stehen
stärker im Vordergrund.“  

Prim. Dr. Hildebert Hutt, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Ärztlicher Leiter der Rehabilitation im
Medizinischen Zentrum Bad Vigaun

Wenn es um die Wiederherstellung der Gesundheit nach traumatischen Schäden und Operationen geht, aber auch bei chronischen, degenerativen Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, wird ein Rehabilitationsaufenthalt nötig, um möglichst rasch die Arbeitsfähigkeit bei Erwerbstätigen, die Wiederherstellung der Selbständigkeit bei älteren Menschen und ganz allgemein die Optimierung des Heilungserfolges sicherzustellen. Für die Wahl des Medizinischen Zentrums Bad Vigaun gibt es viele gute Argumente – allen voran das interdisziplinäre Angebot.

Individuelle Angebote im Fokus

„Die individuellen Lebensumstände der Patienten sind mit dem neuen Rehaprogramm viel stärker in den Vordergrund gerückt“, beschreibt Prim. Dr. Hildebert Hutt, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und ärztlicher Leiter der Rehabilitation im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun, die wesentliche Änderung, die seit einem Jahr verfolgt wird. Rehabilitation basiert auf einem multimodalen Therapiekonzept, das von einem interdisziplinären Rehabilitationsteam erbracht wird und die aktive Mitwirkung der Rehabilitanden voraussetzt. Im Mittelpunkt aller Rehaphasen stehen gemeinsame Teilhabeziele und Aktivitätsziele unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der individuellen Lebensumstände. „Der Vorteil ist, dass das starre Konzept aufgebrochen wurde und wir viel besser auf die Bedürfnisse der einzelnen Patienten eingehen können“, ergänzt MMAg. Dr. Josef Sturm, Therapieleiter und Sportwissenschaftler im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun. 

Aktivitäts- und teilhabe-bezogene Tätigkeiten

Die moderne medizinische Rehabilitation richtet sich nach dem bio-psycho-sozialen ICF-Modell, der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, der WHO aus und basiert, ausgehend von einem ICD-10-codierten Krankheitsbild, auf der individuellen Festlegung von Rehabilitationszielen in der Teilhabe- und Aktivitätsebene. „Der Erfolg der Rehabilitation wird nach dem Erreichen des Teilhabezieles bewertet“, beschreibt Hutt weiter. Rehabilitationsziele im Sinne des ICF-Modells beschreiben somit aktivitäts- und teilhabebezogene Tätigkeiten, die durch eine detaillierte Anamnese und Befragung zu Lebensumständen und Lebensbereichen evaluiert werden. Teilhabeziele beziehen sich zum Beispiel auf Themen wie Beruf, Familie oder Freizeit. Um optimal rehabilitieren zu können, wird vom medizinischen und therapeutischen Team gemeinsam mit dem Patienten das individuelle Teilhabeziel definiert. 

„Das Konzept wurde aufgebrochen und wir können besser auf die Bedürfnisse der einzelnen Patienten eingehen.“ 

MMag. Dr. Josef Sturm, Therapieleiter im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun

„Früher stand die Diagnose im Vordergrund, also wer am Knie operiert war, hat auf diese Diagnose hin die Behandlungen erhalten. Heute sind es Teilhabeziele wie den Alltag zu Hause allein bewältigen zu können oder den Beruf wieder in gewohnter Weise ausüben zu können“, so Hutt. In diesem Zusammenhang sind auch die Patienten gefordert, denn sie müssen auch selbst formulieren, was ihre Erwartungen an den dreiwöchigen Rehaaufenthalt sind, und „Schmerzreduktion“ als Ziele wäre dabei zu wenig. 

Interdisziplinäre Teams

Auch die psychologische und soziale Komponente spielt eine größere Rolle als bisher: „Das Team wurde um Sozialarbeiter erweitert, die nun in den Rehaprozess eingebunden sind“, sagt Hutt. Auch wenn die Formulierung des Teilhabeziels einen höheren Aufwand darstellt, so lohnt es sich aus Sicht des Mediziners aber auf jeden Fall, näher hinzusehen: „Wir Ärzte müssen von der reinen Funktion weg zum ganzheitlichen Denken kommen und für Patienten bringt die individuelle Abstimmung oft den größeren Erfolg.“

Ein Busfahrer, der nach einer Schulteroperation auf Rehabilitation ist und zudem unter einem früheren Meniskusschaden am rechten Knie leidet, veranschaulicht die Weiterentwicklung der orthopädischen Rehabilitation. Während die Schulter gut verheilt ist, bereitet ihm nun das rechte Bein zunehmend Schwierigkeiten. Früher hätte die Rehabilitation sich primär auf die Schulter konzentriert, doch heute werden individuelle Teilhabeziele definiert. Für den Busfahrer steht im Vordergrund, schnell wieder arbeiten zu können und schmerzfrei zwischen Gas- und Bremspedal zu wechseln.

„Nach dem guten OP-Erfolg an der Schulter behandeln wir diese weiterhin zur Muskelkräftigung, fokussieren unsere Ressourcen aber auf die Beschwerden im Bein“, erklärt Hutt. Dazu stehen den Patientinnen und Patienten in Bad Vigaun viele technologische Innovationen, wie die Ganganalyse, zur Verfügung.

rh


Univ.-Prof. Mag. DDr. Anton Wicker, MSc.

Nachgefragt bei ...

Univ.-Prof. Mag. DDr. Anton Wicker, MSc., Facharzt für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun, zum Thema „Ganganalyse“

Was zeigt eine Ganganalyse?

Eine Ganganalyse ist eine biomechanische Untersuchung, die das Gangbild einer Person detailliert analysiert. Dabei werden verschiedene Parameter erfasst, um Auffälligkeiten oder Abweichungen vom normalen Bewegungsmuster zu identifizieren. Zu den wichtigsten Aspekten gehören Schrittlänge und -frequenz, Ganggeschwindigkeit, Belastungsverteilung auf Füße und Gelenke, Bewegung von Hüfte, Knie und Sprunggelenk, Muskelfunktion und -aktivität sowie Haltung und Stabilität. 

Wie werden Ganganalysen gemacht?

Die Analyse kann mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden, darunter Videoanalysen, Druckmessplatten, 3D-Bewegungsanalysen und sensorbasierte Systeme. Bad Vigaun zählt österreichweit zu den Vorreitern in Sachen Ganganalyse. 

Warum werden in der orthopädischen Rehabilitation Ganganalysen durchgeführt und welche Ergebnisse können daraus abgeleitet werden?

Sie sind ein essenzielles Werkzeug in der Reha, um die bestmöglichen Therapieergebnisse zu erzielen. Gangstörungen und Asymmetrien werden zum Beispiel nach einem Schlaganfall, einer Amputation oder bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson erfasst. Diese Analyse von Gelenkbewegungen, Schrittlänge, Schritthöhe und Belastungsverteilung zur Identifikation individueller Defizite. Sie ist Grundlage für eine gezielte Therapieplanung, sodass von Orthesen, Physiotherapie oder Training punktgenau auf die Bedürfnisse angepasst werden können.


Fotos: Bad vigaun/Michael gruber
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