Screening verbessern

Seit dem Jahr 2005 ist die Vorsorgekoloskopie für Menschen ab 50 fix im österreichischen Gesundheitssystem verankert. Mittlerweile nehmen bundesweit pro Jahr durchschnittlich rund 18 % der Menschen über 50 die kostenfreie und letztlich überlebenswichtige Untersuchung in Anspruch. 

„Die Einladung zum Screening wird sich künftig an alle Versicherten ab 45 Jahren richten.“ 

Andreas Huss, MBA, Obmann der Österreichischen Gesundheitskassen

„Das Ergebnis unserer jahrelangen, kontinuierlichen Aufklärungsarbeit hat das Bewusstsein gefördert, dass man diese schwere Krankheit leicht früh erkennen oder überhaupt verhindern kann. Aber es gibt noch viel Luft nach oben, um die Bevölkerung verstärkt zur Darmvorsorge zu motivieren“, erklärt Helga Thurnher, Obfrau der Selbsthilfe Darmkrebs Österreich. Die Zahl der Neuerkrankungen konnte in den letzten 20 Jahren von 5.000 auf ca. 4.400 pro Jahr gesenkt werden, die Todesfälle gingen von 3.500 auf 2.400 zurück.

Waren bisher Veranstaltungen, Medienberichte und bestenfalls eine Empfehlung des Hausarztes Anlass zum Darmcheck, soll die Vorsorgebereitschaft der Bevölkerung künftig durch ein organisiertes Screening gefördert werden. „Die positiven Ergebnisse im Burgenland und Vorarlberg belegen, dass es möglich ist, Neuerkrankungen und Todesfälle durch die Einladung zur Darmvorsorge signifikant zu senken“, ist Andreas Huss, MBA, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse, nach dem Pilotversuch in den beiden Bundesländern überzeugt. Künftig soll daher, ähnlich wie beim Brust-Screening, auch in Wien, Tirol und der Steiermark schriftlich zur Vorsorgeuntersuchung eingeladen werden. „Da Darmkrebs immer häufiger auch Jüngere betrifft und diese schwerer zu therapieren sind, wird sich die Einladung zum Screening an alle Versicherten ab 45 Jahren richten“, sagt Huss.



Stuhltest versus Darmspiegelung

In puncto Testmethode kann man zwischen einem immunologischen Stuhltest („FIT-Test“) alle zwei Jahre und einer Vorsorgekoloskopie alle zehn Jahre wählen. Ist das Ergebnis des Stuhltests positiv, muss man sich binnen weniger Wochen einer Darmspiegelung unterziehen, um die Ursache des Blutes im Stuhl eruieren zu lassen. „Der immunologische Stuhltest reagiert gezielt auf menschliches Blut im Verdauungstrakt, nicht aber auf unblutige Polypen und Adenome. Somit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass damit ein Dickdarmkarzinom bzw. eine Vorstufe eines Darmkrebses erkannt werden kann bei 70 bis 80 %. Goldstandard ist nach wie vor die Darmspiegelung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig, Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie sowie Mitbegründer der Selbsthilfe Darmkrebs Österreich. 

„Goldstandard ist nach wie vor die Darmspiegelung.“ 

Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig, Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie, Mitbegründer der Selbsthilfe Darmkrebs Österreich

Erstaunlich hohe Detektionsraten für Vorstufen von Darmtumoren bei wenig Aufwand für den Patienten erbringen mittlerweile eine Kombination des FIT-Test mit einer DNA-Analyse des Stuhls (ColoAlert Test), beziehungsweise eine einfache Blutabnahme. „Erst kürzlich hat die US-Arzneimittelbehörde FDA einen Bluttest als neue Früherkennungsmaßnahme zugelassen. Mit dem Test wird zellfreie Tumor-DNA im Blut aufspürt. Allerdings liegt derzeit die Diagnosesicherheit mit der letztgenannten Methode noch unter jener der Vorsorgekoloskopie, aber die Forschung geht hier rasant weiter“, sagt Ludwig.

Wo gescreent wird, sinkt die Sterblichkeit

Die Koloskopie gilt derzeit also weiterhin als Goldstandard in puncto Diagnosegenauigkeit. 80 bis 90 % der bösartigen Tumore entstehen nicht plötzlich, sondern aus Polypen. „Wir appellieren daher, ab dem 50. Lebensjahr und danach in regelmäßigen Abständen zur Vorsorgekoloskopie zu gehen“, sagt Prim. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alexander Klaus, Facharzt für Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie und Ärztlicher Direktor des Barmherzige Schwestern Krankenhauses Wien. „Personalisierte Medizin und verfeinerte, roboterassistierte OP-Techniken haben in den letzten Jahren nicht nur die Überlebenschancen gesteigert, sondern auch die Lebensqualität betroffener Krebspatienten deutlich verbessern können“, sagt Klaus.

Das geplante Darmkrebs-Screen-ing mit dem niedrigschwelligen „Einstiegsangebot“ des Stuhltests soll viele Menschen zur Teilnahme motivieren, die eine Vorsorge bisher gescheut haben. Die Vorteile zeigt ein Blick über die Grenzen: In Deutschland, wo das Darmkrebs-Screening schon seit Jahren etabliert ist, sank die Sterblichkeit durch Früherkennung bösartiger Tumore bei Männern um mehr als ein Drittel und bei Frauen um die Hälfte. Stark verminderte Zahlen an Neuerkrankungen verzeichnen auch die beiden Screening-Pioniere Burgenland und Vorarlberg.

rh



Quellen:

• Jeffrey K. Lee et al.: Accuracy of Fecal Immunochemical Tests for Colorectal Cancer: Systematic Review and Meta-analysis, Ann. Intern Med, Feb 2014
• Ziyang Wang et al.: Diagnostic accuracy of risk assessment and fecal immunochemical test in colorectal cancer screening: Results from a population-based program and meta-analysis", Cancer medicine, July 2023


FOTOS: ZVG, PRESSE GBH, ISTOCKPHOTO/ MOHAMMED HANEEFA NIZAMUDEEN

Zurück
Zurück

Reisen am Limit

Weiter
Weiter

Osteoporose in der Schwangerschaft