Hoffnung auf neue Behandlung

Die altersbedingte Osteoporose führt zu schwer behandelbaren Frakturen – besonders bei Frauen, die von der Erkrankung viel häufiger betroffen sind als Männer. Ein neuer Therapieansatz setzt am Immunsystem des Menschen an. 

 

Ab der zweiten Lebenshälfte wird die Osteoporose für viele Menschen zu einer ständigen Begleiterin. Der verlangsamte Knochenaufbau, der eine erhöhte Porosität und eine geringere Dichte der Knochenstrukturen zur Folge hat, führt zunächst vermeintlich zu keinen Beschwerden. Die große Gefahr liegt jedoch darin, dass Knochenbrüche viel wahrscheinlicher auftreten. Im schlimmsten Fall führen einfache Alltagsbewegungen zu Frakturen in Wirbeln, im Oberschenkel oder im Handgelenk. 

Osteoporose ist eine typische altersassoziierte Erkrankung, die Frauen etwa doppelt so oft trifft wie Männer. Viele der Veränderungen, die der Körper im Alter durchmacht, sind nicht gut für die Knochen – von der verminderten Produktion von Sexualhormonen über den Mangel an Vitamin D bis hin zur Verkürzung der Telomere, die das Erbmaterial schützen. Mit diesen Vorgängen erhöht sich auch die Neigung zu Entzündungsreaktionen im Körper, einem Phänomen, das Osteoporose begünstigen kann.

Rheumamittel im Test 

Diesen Zusammenhang von Immunsystem und Knochenentwicklung nehmen Univ.-Prof. Dr. Peter Pietschmann und sein Team am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien in einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt genauer unter die Lupe. Die Arbeitsgruppe fokussiert dabei auf den Wirkstoff Baricitinib, der Entzündungsreaktionen beeinflusst und bereits für die Behandlung von Gelenksentzündungen bei rheumatoider Arthritis eingesetzt wird. Die Forscher wollen herausfinden, ob das Präparat auch in der Behandlung von Osteoporose gewinnbringend eingesetzt werden kann. Studien einer deutschen Arbeitsgruppe konnten anhand eines Tiermodells zeigen, dass Baricitinib in jungen Organismen eine günstige Wirkung auf den Knochenstoffwechsel hat. Nun wird untersucht, ob sich diese Wirkung auch in einem Modell für altersbedingte Osteoporose nachweisen lässt.

Entzündungsvermittler ausbremsen

Baricitinib setzt bei proinflammatorischen Zytokinen an. Sie werden bei Virenerkrankungen oder Gewebsschäden aktiv, genauso aber auch bei den körperweiten Entzündungserscheinungen, die im Alter zunehmen. Auch an der Entwicklung von Osteoporose sind sie beteiligt. Sogenannte JAK-Inhibitoren, zu denen Baricitinib gehört, vermindern nun die Bildung dieser Zytokine, unterbrechen den Signalweg und regulieren somit die Entzündungsreaktion. 

Um herauszufinden, ob diese Art der Immunsuppression auch dem altersbedingten Knochenabbau entgegenwirkt, nutzten die Wissenschaftler ein spezielles Mausmodell. Bei sogenannten SAMP8-Mäusen ist der Alterungsprozess beschleunigt, was sie zu einem wichtigen Modell für die Erforschung der Osteoporose und generell gerontologischer Erkrankungen macht. In Pietschmanns Projekt wurden insgesamt 60 weibliche Mäuse sechs Wochen lang mit Baricitinib oder einer Kontrollsubstanz behandelt. 

Im Anschluss wurden die Tiere mit einer ganzen Reihe verschiedener Verfahren untersucht. Die Forschenden prüften die Mäuse auf Entzündungsreaktionen, blickten mit radiologischen und mikroskopischen Hilfsmitteln ins Knocheninnere und suchten nach verschiedenen Markern, die Auskünfte über Veränderungen im Knochenstoffwechsel geben. Die Daten werden nun in dem, bis 2025 laufenden Projekt ausgewertet, doch erste Ergebnisse sind bereits verfügbar.

Verbesserte Knochenstrukturen

„Zum einen zeigt die Analyse der Zytokinproduktion, dass mit der Verabreichung des Wirkstoffs die Entzündungsmarker im Körper der Tiere sinken. Zum anderen konnten wir mittels der Histomorphome­trie, bei der dünne Gewebsschnitte unter einem Mikroskop untersucht und computerunterstützt ausgewertet werden, tatsächlich auch positive Veränderungen der Strukturen im Knochen nachweisen“, erklärt Pietschmann. „In einer Mikro-Computertomografie der Knochen war die beobachtete Wirkung dagegen weniger stark ausgeprägt. Das könnte daran liegen, dass die mikroskopische Methode und das Mikro-CT unterschiedliche Knocheneigenschaften erfassen.“  Weitere Erkenntnisse könnte eine molekularbiologische Methode bringen: die Analyse der RNA, die eine wichtige Rolle in der Übertragung von Geninformation für den Bau von Proteinen spielt. Mit bioinformatischen Ansätzen kann anhand der Daten aus der RNA-Sequenzierung die Wirkung eines Präparats auf einer Ebene der Genexpression betrachtet werden. Man bekommt also so ein umfassenderes Bild der beteiligten molekularbiologischen Prozesse.

Ob Baricitinib nun tatsächlich ein guter Behandlungsweg bei Osteoporose ist, kann auf Basis der bisherigen Ergebnisse noch nicht abschließend beantwortet werden. Doch auch wenn der „proof of concept“ im Mausmodell gelingt, würde eine Zulassung nicht Schlag auf Schlag gehen. „Die klinische Phase wäre zwar viel weniger aufwendig, weil das Präparat bereits für eine andere Erkrankung zugelassen ist“, erklärt Pietschmann. „Für ein Osteoporose-Medikament muss man aber nachweisen, dass die typischen Frakturen gegenüber einer Vergleichsgruppe stark zurückgehen – und das dauert jedenfalls mehrere Jahre.“ Das Projekt „Baricitinib für die altersassoziierte Osteoporose“ läuft von 2022 bis 2025 und wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 241.000 Euro unterstützt.

rh

Publikationen

• Meshcheryakova A., Bohdan S., Zimmermann Ph., Jaritz M., Pietschmann P., Mechtcheriakova D.: RNA-Binding Proteins as Novel Effectors in Osteoblasts and Osteoclasts: A Systems Biology Approach to Dissect the Transcriptional Landscape, in: International Journal of Molecular Sciences 2024

• Pietschmann P., Butylina M., Kerschan-Schindl K., Sipos W.: Mechanisms of Systemic Osteoporosis in Rheumatoid Arthritis, in: International Journal of Molecular Sciences 2022

• Kerschan-Schindl K., Hackl M., Boschitsch E. et al.: Diagnostic Performance of a Panel of miRNAs (OsteomiR) for Osteoporosis in a Cohort of Postmenopausal Women, in: Calcified Tissue International 2021


Foto: istockphoto/ ttsz
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