Notfallmedizin in der Hausarztpraxis: Erste Hilfe bei Epilepsie
Die Zeit im Wartezimmer geht für die Patienten oft mit Stress und Ängsten einher. Auch wenn alle Elemente einer möglichst entspannten Atmosphäre vom Ordinationsteam berücksichtigt werden, können diese Unsicherheiten insbesondere bei Menschen mit Epilepsie intensive körperliche Reaktionen auslösen.
AUTORIN: Dr. Silke Eichner
Ärztin für Allgemeinmedizin, Die Hausärzte Enns, Vizepräsidentin der Oberösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin
diehausaerzte.at, www.obgam.at
Regelmäßige notfallmedizinische Schulungen schaffen nicht nur im Fall eines epileptischen Anfalles bei einem Patienten die notwendige Sicherheit und das Vertrauen, gut aufgehoben zu sein.
Rolle der Allgemeinmedizin
Alljährlich am zweiten Montag im Februar wird der Internationale Tag der Epilepsie begangen, um einmal mehr deutlich zu machen, dass es sich dabei um die häufigste chronisch neurologische Erkrankung handelt. Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ist von Epilepsie betroffen, in Österreich sind es aktuell rund 90.000 Menschen. In den meisten Fällen sind die Betroffenen medikamentös gut eingestellt: Die Antiepileptika verringern das Risiko eines Anfalles und wirken in den meisten Fällen sehr gut. Vielfach kann heute durch eine genaue diagnostische Abklärung bereits zu Beginn der Epilepsie eine genaue Prognose für die Behandelbarkeit gestellt werden.
Der Allgemeinmediziner als erste Anlaufstelle im System spielt eine entscheidende Rolle hinsichtlich der sorgfältigen Epilepsie-Anamnese und gegebenenfalls Überweisung an einen Facharzt. Vorrangig ist hier die genaue Anfallsbeschreibung, einerseits durch die Betroffenen selbst, aber insbesondere auch durch Verwandte, Bekannte oder sonstige Zeugen eines Zwischenfalles, bei dem es sich um Epilepsie handeln könnte. Aufgrund der langjährigen Vertrauensbeziehung zum Hausarzt ist die Hemmschwelle der Kommunikation über das Geschehen meist auch deutlich niedriger.
Epileptischer Notfall in der Ordination
Auch als Allgemeinmediziner ist man nicht vor einem medizinischen Notfall mit Epileptikern in den eigenen Ordinationsräumlichkeiten gefeit. Es gilt dabei, den Anfall zu klassifizieren, da diese sehr unterschiedlich aussehen können. Die Anfallssymptome hängen von der Funktion der betroffenen Gehirnregion ab und können sich in verschiedener Art und Weise bemerkbar machen: Von Veränderungen der Wahrnehmung (komisches aufsteigendes Gefühl aus der Magengegend, unbegründetes Angstgefühl, Vertrautheits- oder Fremdheitsgefühl) – diese Anfälle werden als fokal sensible/sensorische, kognitive oder autonome Anfälle (früher: Auren) bezeichnet – über Zuckungen oder Verkrampfungen des Gesichts, der Arme oder Beine bei erhaltenem Bewusstsein (fokal motorische Anfälle) oder Einschränkung des Bewusstseins, verbunden mit merkwürdigen Verhaltensweisen (Nesteln, Schmatzen, Kaubewegungen), von denen die Betroffenen nichts wissen (fokale, nicht bewusst erlebte Anfälle) ist die Range der Anzeichen für einen Anfall vielfältig.
Bei rund einem Drittel der Vorkommnisse erfasst die epileptische Aktivität von Beginn an Netzwerke in beiden Hirnhälften, man spricht dann von generalisierten Anfällen. Auch diese Anfälle können ganz unterschiedlich aussehen und sind ebenfalls durch Bewusstseinsverlust, Sturz, Verkrampfung am ganzen Körper, Zuckungen der Arme und Beine und einen nachfolgenden Erschöpfungs- oder Verwirrtheitszustand gekennzeichnet. Diese generalisierten (tonischen) Anfälle sind auch jene, die der allgemeinen Bevölkerung weitgehend bekannt sind und mit Epilepsie in Verbindung gebracht werden.
Richtige Vorgangsweise entscheidend
Ruhe bewahren und sich einen Überblick verschaffen
Die Anfallsdauer berücksichtigen – auf die Uhr schauen!
Für eine sichere Umgebung sorgen: Alle subjektiv gefährlichen Gegenstände müssen aus der Reichweite des Patienten entfernt werden. Eventuell einen weichen Polster unter den Kopf des Betroffen schieben, den Patienten aus der Gefahrenzone schieben.
Den Patienten nicht festhalten, stabile Seitenlage, keine Gegenstände zwischen Ober- und Unterkiefer schieben
Warten, bis der Anfall vorbei ist, und dabei den Patienten nicht allein lassen.
Bei Status epilepticus – wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert – den Notarzt rufen.
Nach dem Abklingen des Anfalls ist es ratsam, den Betroffenen weiterhin unter Beobachtung zu halten, um sicherzustellen, dass es zu keinen weiteren Anfällen kommt. Vorbeugend ist eine weitergehende stabile Seitenlage empfehlenswert, eine Abschirmung von lauten Geräuschen sowie die Sicherstellung, dass der Patient seine Medikamente eingenommen hat. Sollte es sich um den ersten Anfall handeln, ist unbedingt eine Einweisung ins Krankenhaus nötig, um die Ursache im Spital abklären zu lassen.
Wissensauffrischung gemäß den aktuellen Guidelines
Notfälle in der Praxis sind immer eine Ausnahmesituation, deren Schrecken dem Team aber durch perfekte Zusammenarbeit im Ernstfall genommen werden kann. Diesen heiklen Momenten kann mit guter Vorbereitung erfolgreich entgegengewirkt werden: Gemeinsame Trainings verschaffen entsprechende Sicherheit und lassen allgemeine Panik im Wartezimmer gar nicht erst aufkommen. Die Oberösterreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (OBGAM, www.obgam.at) veranstaltet jährlich in Kooperation mit EINF, der Eisenstädter Notfallfortbildung (www.einfachsimulieren.at) notfallmedizinische Kurse, die sich speziell an den Bedürfnissen der Allgemeinmedizin orientieren. Dabei wird anhand der aktuellen Guidelines das richtige Zusammenspiel des gesamten Teams geübt. Die Fortbildung, bei der auch die Erlangung eines Notfallrefresher-Zertifikates möglich ist, erlangt stets beste Bewertungen. Für das Refresher-Zertifikat ist die Absolvierung des Online-Teiles vor dem eigentlichen Praxisteil erforderlich. Mit der Erledigung und der Teilnahme in Präsenz am Praxistag erlangt man den Refresher. Bei Interesse bitten wir um Kontaktaufnahme über die Website der OBGAM.
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