Kaufen oder mieten, das ist hier die Frage


Ob der Kauf einer Immobilie dem Mieten vorzuziehen ist, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Was Ärzte beachten sollten.
Lohnt sich der Kauf einer Immobilie? Während viele gut situierte private und professionelle Anleger abwarteten, wie sich die Preise weiterentwickeln, sah die breite Masse aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage, strengerer Kreditvergabekriterien und gestiegener Kreditkosten von Käufen ab. Stattdessen kam es am Vermietungsmarkt zu einem regelrechten Boom. Die Folge: stark steigende Mietpreise.


Auch wenn weiter Vorsicht angebracht ist, so verdichten sich tatsächlich die Anzeichen, dass es heuer zu einer Wende am Immobilienmarkt kommen könnte. Anders als in den USA, wo Sorgen um höhere Inflation kursieren, werden in Europa weitere Zinssenkungen erwartet. Aber nicht nur die daraus folgenden günstigeren Finanzierungskosten könnten Kaufinteressenten einen Ruck geben. Seit dem 1. April des Vorjahres sind zudem private Immobiliendeals bis zu einem Kaufpreis von 500.000 Euro von der Grundbuch- und Pfandeintragungsgebühr befreit, vor allem aber wird die wenig beliebte KIM-Verordnung, die striktere Vorgaben für die Vergabe von Wohnkredite festlegte, im Sommer auslaufen.
Marktbeobachter bestätigen, dass die Anfragen im Eigentumsbereich bereits in den letzten Wochen merklich gestiegen sind. „Tendenz weiter steigend“, so der Grundtenor bezüglich der weiteren Entwicklung. Noch sei das Angebot am Markt groß, wird hingewiesen. Wobei die Betonung auf „noch“ liegt, denn die Neubauproduktion geht seit geraumer Zeit zurück und diese Entwicklung soll sich in den kommenden Jahren drastisch verschärfen. Steigende Preise scheinen vorprogrammiert. Im Übrigen nicht nur im Kaufsegment.
Laut EHL Immobilien ist die Zahl der fertiggestellten Mietwohnungen 2024 im Vergleich zum Jahr davor um 25 % auf rund 4.200 Wohneinheiten zurückgegangen. Heuer wird sogar ein Rückgang von 60 % auf 1.800 erwartet. Vom Vermietungsmarkt für Bestandswohnungen ist wenig Abhilfe zu erwarten. Die EHL-Experten verweisen auf die geringe Zahl an Mietvertragskündigungen. „Wohnungssuchende müssen Mietentscheidungen deutlich rascher treffen, zudem oftmals schon während der Kündigungsfristen die Wiedervermietung abgewickelt wird“, empfehlen sie angehenden Mietern. Begrenzt ist allerdings auch das Angebot an fertiggestellten Eigentumswohnungen. Im Vorjahr gingen nicht mehr als rund 4.600 in den Verkauf und damit um 20 % weniger als im Jahr davor. In einem ähnlichen Rahmen sollen sich auch heuer die Fertigstellungszahlen bewegen. Wobei die tatsächliche Zahl aufgrund von Projektverschiebungen deutlich geringer ausfallen könnte, warnt EHL.
Mieten oder kaufen?
Die Frage, ob man eine Immobilie mieten oder kaufen soll, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Zwar scheint bei Ärzten, die sich in einer stabilen finanziellen Situation mit sicherem Cashflow befinden, auf den ersten Blick viel für einen Kauf zu sprechen, etwa die Aussicht auf die langfristige Wertsteigerung der betreffenden Immobilie, steuerliche Vorteile oder die Absicherung vor steigenden Mieten. Andererseits spielen auch Lebensstil und Lebensplanung entscheidende Rollen. Will man langfristig in einer Immobilie bleiben oder künftig flexibel den Wohnort wechseln können? Schließlich ist mit einem Kauf ein deutlich höherer finanzieller Aufwand verbunden als mit der Miete.
Das gängige Argument, dass man nur als Immobilieneigentümer Vermögen aufbauen kann, ist jedenfalls nicht stichhaltig. So kann etwa ein Arzt, der sich für eine Mietwohnung entscheidet, in einen Aktienfonds investieren und damit langfristig durchaus ansehnliche Renditen lukrieren. Allein in den vergangenen 20 Jahren boten beispielsweise globale Aktien eine durchschnittliche Rendite von 8 % pro Jahr. Auch belegen diverse Studien, dass Aktien auf längere Sicht zu den rentabelsten Anlageformen gehören. Ein klarer Vorteil: Man kann bereits mit kleinen Summen einsteigen und möchte man sich später mal von seinen Papieren trennen, so geht das deutlich einfacher bzw. schneller als mit „Betongold“.
Käufer hoffen jedenfalls auf einen Wertzuwachs der Wunschimmobilie. Für Anleger gilt es auszuloten, ob Mieteinnahmen und Kaufpreis in einem günstigen Verhältnis stehen. Um ein erstes Gefühl zu bekommen, bietet sich die Bruttomietrendite an, die sich aus dem Verhältnis der jährlichen Mieteinnahmen und dem Kaufpreis ergibt. Aussagekräftiger ist die Nettomietrendite, bei der auch Kaufnebenkosten wie Grunderwerbsteuer oder Notar- und Grundbuchgebühr berücksichtigt werden, ebenso wie etwa die Kosten für Reparatur und Instandhaltung. Nach Einschätzung von Experten sollte die Nettomietrendite bei mindestens bei 4 % liegen. Die höchsten Renditen wären in Lagen mit attraktiven Kaufpreisen und steigenden Mieten zu erzielen. Einen weiteren Zugang zur Frage „mieten oder kaufen“ empfehlen die Finanzierungsexperten von Infina. Als Faustregel könne der Kauf-Miet-Indikator dienen. Dieser gibt an, wie viele durchschnittliche Jahresmieten im Kaufpreis enthalten sind. Ein Wert von 25 würde bedeuten, dass man ein Objekt 25 Jahre lang mieten muss, bevor der Kaufpreis erreicht ist. Bis zu einem Kauf-Miet-Indikator von 20 sei jedenfalls der Kauf sinnvoller als zu mieten.
Keine Entspannung am Mietmarkt
Besonders wichtig ist es daher, die Entwicklung der Mietpreise im Auge zu behalten. „Die Situation am Mietmarkt hat sich im Laufe des Jahres 2024 weiter verschärft“, fasst Markus Dejmek, Österreich-Chef von ImmoScout24, eine Datenanalyse der Immobilienplattform, für die 135.000 Immobilienangebot ausgewertet wurden, zusammen. Die steigende Nachfrage gehe Hand in Hand mit Preissteigerungen. „Bislang ist keine Entspannung in Sicht.“ Diese Entwicklung zeigt sich in den meisten heimischen Bundesländern, besonders stark aber in Wien.
Zwischen Jänner und November des Vorjahres ist in der Bundeshauptstadt die Nachfrage um 29 % gestiegen. Mit einem Plus von 73 % sticht hier Floridsdorf besonders hervor, gefolgt von Favoriten (+63 %), Ottakring (+62 %) und Meidling (+54 %). Die Mietpreise stiegen wiederum in ganz Wien um 11 % auf 19,2 Euro/m2. Eine 70 m2-Wohnung kostet in der Bundeshauptstadt im Durchschnitt 1.343 Euro im Monat. Nur in Tirol ist es teurer, zur Miete zu wohnen. Eine Folge dieser angespannten Situation, so Dejmek: Mietsuchende seien gezwungen, sich rascher zu entscheiden und mehr Kompromisse bei der Lage oder Infrastruktur einzugehen. Auf steigende Preise müssen sich auch Käufer einstellen. Laut RE/MAX-Prognose ist heuer bei Eigentumswohnungen in zentralen Wiener Lagen ein Anstieg von +5,5 % zu erwarten (2024: -0,8 %), am Stadtrand sind es +2,9 % (-4,1 %). Einfamilienhäuser sollen wiederum um +2,3 % mehr kosten (-4,3 %), Stadt- und Zinshäuser leicht um +0,3 % (2024: -6,3 %). Ärzte, die ein Haus bauen möchten, werden nach Einschätzung der RE/MAX-Experten für ein Grundstück um +3,5 % mehr auf den Tisch legen müssen. Etwas tiefer in die Tasche greifen wird man voraussichtlich auch für Maisonettes, Lofts und Penthouses müssen. Prognostiziert wird ein Preisanstieg von +1,8 %. Laut Otto Immobilien hat in Wien 2024 der Quadratmeter Neubau im Durchschnitt rund 7.000 Euro gekostet. Bei Bestandswohnungen waren es um die 4.500 Euro.
Empfehlung: Mindestens 20 % Eigenkapital bei Kauf
Wie viel Eigenkapital brauchen Ärzte für den Kauf einer Immobilie? Mit der im August 2022 in Kraft getretenen KIM-Verordnung wurde bei Wohnbaufinanzierungen ein Eigenmittelanteil von mindestens 20 % verpflichtend. Gemeinsam mit strengeren Schuldendienstgrenzen sollte, das die Risiken von Immobilienkrediten für das heimische Finanzsystem reduzieren. Gute Nachrichten: Nachdem sich die Lage nach Einschätzung des Finanzstabilitätsgremiums (FMSG) merklich entspannt hat, wurde Anfang Dezember das Auslaufen der KIM-Verordnung per 30. Juni 2025 verkündet. Damit dürfen wieder mehr als 40 % des verfügbaren Nettoeinkommens für die Kreditrückzahlung verwendet werden. Die genaue Höhe der Kreditrate ist wie die Kreditlaufzeit, die KIM-Verordnung hat diese bekanntlich auf maximal 35 Jahre limitiert, dann wieder Verhandlungssache.
Finanzierungsexperten und auch Banken empfehlen, dass beim Immobilienkauf 20 bis 30 % der Gesamtkosten aus eigenen Mitteln aufgebracht werden sollten. Grundsätzlich gilt hier jedoch, je mehr, desto besser. Denn je höher der Eigenmittelanteil, desto weniger Kredit muss aufgenommen werden bzw. desto besser sind die generellen Kreditkonditionen.
Auch ein Grundstück kann im Übrigen als Eigenkapital bei Immobilienkrediten eingebracht werden. Um als gleichwertig betrachtet zu werden, muss es allerdings unbelastet sein. Bei der Ermittlung des konkreten Grundstückswerts wird unterschieden, ob es sich um das künftige Baugrundstück handelt oder eine andere Fläche im Eigentum des Arztes. Laut den Experten von Infina setzen die Banken bei der Bewertung von Baugrundstücken einen Abschlag, typischerweise in Höhe von 20 % des Gesamtwertes, an. Zusätzliche Grundstücke würden vor allem dann als werthaltige Sicherheit in Betracht kommen, wenn sie etwa als Bauland gewidmet wären. Achtung: Ein etwaiger späterer Verkauf ohne Rücksprache mit der Bank ist dann nicht mehr möglich.
pb
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