Trinkkuren mit Heilwässern bei urologischen Erkrankungen

 

Seit Jahrhunderten schätzen Menschen die heilende Kraft von Heilwässern, insbesondere bei urologischen Beschwerden. Auch heute spielen Trinkkuren eine bedeutende Rolle in der Prävention und Begleittherapie von Harnsteinleiden und anderen Erkrankungen der Harnwege. 

AUTOR: Ao. Univ.-Prof. FH Hon.-Prof. Dr. med. Wolfgang Marktl

GAMED – Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin,
marktl@gamed.or.at
www.gamed.or.at

 

Unter Heilwasser-Trinkkuren wird eine über längere Zeit hin in definierten Zeitabständen wiederholte Zufuhr definierter Mengen eines Heilwassers verstanden, dessen Auswahl, Dosierung und Applikationsweise ärztlich verordnet werden. Die kurmäßige perorale Zufuhr von Heilwässern hatte zweifelsohne in der Zeit vor dem Einsatz von industriell hergestellten Pharmaka einen wesentlichen höheren Stellenwert, woraus aber nicht geschlossen werden kann, dass den Trinkkuren mit Heilwässern in der derzeitigen konventionellen Medizin keinerlei Bedeutung mehr zukommt. Diese Aussage betrifft auch den Stellenwert der Trinkkur bei definierten urologischen Erkrankungen. Für das Verständnis der Wirkungsweise von Trinkkuren, das heißt die regelmäßig wiederholte Applikation des Heilwassers über einen definierten Zeitraum, muss darauf hingewiesen werden, dass bei dieser Art der peroralen Applikation nicht nur die Frage der Dosierung, sondern auch der Zeitfaktor eine Rolle spielt. Für das Verständnis der Wirkungsweise sind daher nicht nur Dosierungsfragen von Bedeutung, sondern auch Kenntnisse der physiologischen Adaptation. 

Rezidivprophylaxe von Harnsteinen

Der Schwerpunkt des Einsatzes von definierten Heilwässern für Trinkkuren liegt im Bereich der Rezidivprophylaxe von Harnsteinen. Für die Bildung von Konkrementen in den ableitenden Harnwegen ist ausschlaggebend, dass die Konzentration einer Substanz im Harn einen bestimmten kritischen Wert übersteigt. Im Falle von Salzen, wie sie die chemische Grundlage der Harnsteine darstellen, sind die Konzentrationen aller an der Bildung des Salzes beteiligten Ionen maßgebend. Überschreitet das Produkt der Konzentrationen einen kritischen Wert, das sogenannte Löslichkeitsprodukt, so fällt das Salz aus. Zur Vorbeugung gegen die Bildung von Harnsteinen tragen prinzipiell folgende Faktoren bei:

  • die Herabsetzung der Harnkonzentration an gelösten Stoffen durch Erhöhung des Harnvolumens;

  • die Verminderung des Quantums ausgeschiedener Stoffe durch Einschränkung ihrer Aufnahme (Diät und Resorptionsverminderung);

  • die Erhöhung der Löslichkeit durch gezielte Veränderungen des pH-Wertes im Harn;

  • die Korrektur vorhandener Stoffwechselstörungen;

  • die Therapie eventuell vorhandener Harnwegsinfekte.



Durch Trinkkuren mit Mineral- bzw. Heilwässern kann in die Pathogenese der Harnsteinbildung insofern eingegriffen werden, als es dadurch zu einer Zunahme der Löslichkeit konkrementbildender Stoffe durch gezielte Beeinflussung des pH-Wertes und bestimmter Ionenkonzentrationen im Harn kommt. Darüber hinaus können bestimmte Ionen auch noch einen entzündungswidrigen Einfluss in den Harnwegen entfalten. Ein gewisser Vorteil im Zusammenhang mit dem Einsatz von Trinkkuren bei Harnsteinen kann auch darin gesehen werden, dass im Gegensatz zur Einnahme von Medikamenten Trinkkuren automatisch mit einer hohen und regelmäßigen Flüssigkeitszufuhr verbunden sind. 

Heilwassertypen 

Für Trinkkuren bei urologischen Erkrankungen werden vor allem Natriumhydrogencarbonatwässer, daneben aber auch andere Heilwassertypen je nach der Art des Harnsteins eingesetzt, wie dies aus der Tabelle 1 hervorgeht. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, hat neben der Konzentration der steinbildenden chemischen Verbindung auch der pH-Wert des Harns Einfluss auf die Ausfällung einer Substanz. Der Harn-pH-Wert determiniert nämlich den Dissoziationsgrad einer im Harn vorliegenden chemischen Verbindung. Je mehr von einer chemischen Substanz in dissoziierter Form vorliegt, desto besser löslich ist sie, je mehr undissoziiert vorhanden ist, desto schlechter löslich ist sie und umso leichter kann eine Ausfällung erfolgen. Für die meisten, aber nicht für alle, konkrementbildenden Substanzen gilt, dass ihr Dissoziationsgrad und damit auch ihre Löslichkeit mit steigendem pH-Wert zunehmen. Konkret bedeutet dies, dass im sauren pH-Bereich leichter eine Konkrementbildung erfolgen kann, als im alkalischen Bereich. Ausgenommen davon sind die phosphathältigen Steine und die Calciumcarbonatkonkremente, die im alkalischen Milieu ausfallen und für die daher eine Harnsäuerung angebracht ist. Dies kann jedoch durch Trinkkuren mit Heilwässern alleine nicht erzielt werden, sondern muss durch die Gabe von Medikamenten erfolgen, wobei eine Trinkkur mit einem geeigneten Heilwasser durchaus als begleitende Maßnahme eingesetzt werden kann. 

Wie als bekannt vorausgesetzt wird, gibt es eine größere Zahl von verschiedenen Harnsteinen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung. Praktisch wichtig ist jedoch, dass ca. 90 % aller Harnsteine Calcium enthalten und als Calciumoxalat, Calciumphosphat oder Calciumcarbonat in Erscheinung treten. Relativ häufig können daneben auch noch Harnsäuresteine und Magnesium-Ammoniumphosphatsteine beobachtet werden, alle anderen Harnsteine sind Raritäten.

Ein wesentlicher Effekt der Trinkkur bei Harnsteinleiden dürfte besonders die nächtliche Diuresesteigerung sein, weil dadurch die sonst üblicherweise eintretende Harnkonzentrierung mit nachfolgend ansteigender Gefahr der Konkrementbildung verhindert werden kann. Diese Abflachung der tagesrhythmischen Amplitude der Harnausscheidung wurde bei Trinkkuren mit verschiedenen Heilwässern beschrieben und ist nach dem Trinken von Leitungswasser deutlich geringer ausgeprägt.

Im Falle des Vorliegens von Erkrankungen der ableitenden Harnwege können Trinkkuren mit Heilwässern bei bestimmten Harnwegsinfekten mit Ausnahme einer Infektion durch E. Coli und bei Harnsteinleiden durchgeführt werden. Diese beiden Störungen treten auch in Kombination auf und können einander bedingen. In diesem Zusammenhang kann auch darauf hingewiesen werden, dass Trinkkuren selbstverständlich mit anderen Arten der Therapie kombinierbar sind, was auch für balneologische Therapien wie zum Beispiel Badeanwendungen im Rahmen eines Kuraufenthaltes zutrifft. 


Dosierung der Heilwässer bei Trinkkuren

Bei der Dosierung der Heilwässer spielen einerseits individuelle Gesichtspunkte und andererseits der Gehalt an Mineralstoffen eine Rolle. Wesentlich ist aber auch die Verteilung der Trinkmengen über den Tag in Abhängigkeit von der erwünschten therapeutischen Wirkung. Wird die Trinkkur mit dem therapeutischen Ziel einer Harnsteinprophylaxe durchgeführt, so sollen in Abstimmung auf das 24-Stunden-Harnvolumen sowie auf den pH-Wert im Morgenharn 0,7-2,8 l des Heilwassers getrunken werden. Die tägliche Trinkmenge soll über den Tag verteilt werden und die letzte Trinkportion sollte vor der nächtlichen Bettruhe zugeführt werden. 

Die Dauer der Trinkkur muss mindestens vier bis sechs Wochen betragen, für die Prophylaxe und Metaphylaxe von Harnsteinen wird auch der Dauergebrauch der Applikation des Heilwassers empfohlen. 

Der Hydrogencarbonatgehalt der für die urologischen Heilanzeigen eingesetzten Heilwässer sollte mindestens 2,3 g HCO3-/l betragen. In Österreich existieren schätzungsweise mehr als zehn Heilwässer, deren Hydrogencarbonatgehalt über diesem Wert liegen. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über Kurorte, in denen Natriumhydrogencarbonatwässer vorhanden sind, deren Gehalt über dem angeführten Wert von 2,3 g HCO3- liegt. Die Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern können nur als Illustration verstanden werden.

 

Kontraindikationen für Trinkkuren

  • Herz- und Nierenerkrankungen, die mit einer Störung der Harnausscheidung verbunden sind

  • akute und akut-entzündliche Erkrankungen

  • stark ausgeprägte Krampfadern

  • höhere Stadien des Bluthochdruckes

  • Harnwegsentzündungen und Harnsteine, die durch einen alkalischen Harn gefördert werden


FotoS: zvg, istockphoto/ ross helen, istockphoto/ john_lerskau
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